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5.8.2025

Ein Wendepunkt für die europäische Bahn: Was das neue EU-US-Handelsabkommen für unsere Branche bedeutet

Der 15%ige Einfuhrzoll bietet der europäischen Bahnbranche lang ersehnte Klarheit. Der Erfolg in den USA hängt jedoch weiterhin davon ab, Compliance-Anforderungen zu meistern, lokale Inhaltsvorschriften zu erfüllen und intelligente transatlantische Partnerschaften aufzubauen.

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Klarheit durch Kosten: Was Stabilität für Bahnexporteure bedeutet

Seit Freitag, dem 7. August 2025, haben die Europäische Union und die Vereinigten Staaten ein gezieltes Handelsabkommen abgeschlossen, das bereits als stabilisierende Kraft in einem zunehmend unsicheren globalen Markt gefeiert wird. Obwohl es Kompromisse enthält, führt das Abkommen einen einheitlichen Einfuhrzoll von 15 % auf eine definierte Gruppe von EU-Industriegütern ein, die in die USA gelangen – und ersetzt damit ein zuvor inkonsistentes und oft strafendes Zollsystem. Für viele Branchen ist diese Veränderung eine willkommene Entwicklung. Für die europäische Bahnindustrie und insbesondere für diejenigen von uns, die Unternehmen in diesem Bereich beraten, erfordert sie jedoch eine genauere Betrachtung der Folgen.

 

Bei H&Z sind wir tief in den Bahn- und Maschinenbausektor eingebunden. Wir arbeiten eng mit Herstellern, Zulieferern und Investoren in ganz Europa zusammen und unterstützen sie dabei, sich in einem sich wandelnden regulatorischen Umfeld und komplexen operativen Anforderungen zurechtzufinden. Aus dieser Perspektive bietet das Handelsabkommen sowohl Chancen als auch Herausforderungen – insbesondere für diejenigen, die Züge, Komponenten und Systeme in die USA exportieren.

 

Bisher unterlagen die meisten Bahnprodukte Zöllen zwischen 0 % und 5 %, wobei europäische Exporteure aufgrund temporärer Maßnahmen oder politisch motivierter Handelsaktionen Unsicherheiten ausgesetzt waren. Mit dem neuen Abkommen wird diese Unvorhersehbarkeit durch einen einheitlichen, stabilen Zollsatz ersetzt.

 

 

Was bedeutet das für den Export europäischer Züge?

Für führende europäische Hersteller wie Siemens Mobility, Alstom und Stadler Rail, die bedeutende Aktivitäten oder Projektportfolios in den USA haben, bietet der einheitliche 15%-Zollsatz willkommene Klarheit. Siemens produziert beispielsweise seit über einem Jahrzehnt Personenzüge für den US-Markt in seiner Niederlassung in Sacramento, darunter jüngst hochkarätige Aufträge für Amtrak und verschiedene interstaatliche Verkehrsprojekte. Alstom liefert derzeit Hochgeschwindigkeitszüge für die Northeast Corridor von Amtrak und hat seine US-Präsenz durch Werke wie das in Hornell, New York, ausgebaut. Stadler Rail betreibt ebenfalls einen bedeutenden Standort in Salt Lake City, Utah, und unterstützt verschiedene Pendler- und U-Bahn-Projekte in den USA.

 

Diese Unternehmen lokalisieren bereits einen erheblichen Teil ihrer Wertschöpfungskette, um den „Buy America“-Vorschriften zu entsprechen. Dennoch sind sie weiterhin auf den Import spezialisierter Komponenten wie Antriebssysteme, Drehgestelle und Signaltechnik aus Europa angewiesen. Der neue Zollsatz ist zwar nicht unerheblich, aber handhabbar – und vor allem vorhersehbar. Dies schafft eine Grundlage, auf der diese Firmen Verträge kalkulieren und mit US-Kunden selbstbewusster verhandeln können.

 

Und Selbstvertrauen ist entscheidend. Die USA erleben derzeit eine einmalige Welle von Infrastrukturinvestitionen. Von der Modernisierung von U-Bahn-Systemen in Großstädten bis zur Aufrüstung des Fernverkehrs ist die Nachfrage nach Bahntechnologie real. Europäische OEMs mit nachgewiesener Erfahrung in hochkapazitiven urbanen und regionalen Systemen sind gut positioniert, um zu konkurrieren – vorausgesetzt, sie meistern die verbleibenden Kosten- und Compliance-Hürden.

 

 

Auswirkungen auf mittelständische EU-Zulieferer

Neben den großen OEMs gibt es ein ebenso wichtiges Ökosystem spezialisierter Bahnzulieferer, viele davon mittelständische Unternehmen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich und Italien. Diese Firmen sind die Innovationsquelle in Bereichen wie Zugsteuerung, Elektrifizierung, Klima- und Lüftungssystemen sowie mechanischen Baugruppen.

 

Für diese Zulieferer war der US-Markt historisch schwer zugänglich. Zollinstabilität, komplexe bundesstaatliche Beschaffungsregeln und strenge Zertifizierungsanforderungen schufen hohe Markteintrittsbarrieren. Der neue 15%-Zoll beseitigt diese Hürden nicht, macht den Marktzugang aber zumindest kalkulierbarer.

 

Die Herausforderungen bleiben jedoch bestehen. Der US-Bahnbereich wird weiterhin von strengen Sicherheits- und Leistungsstandards bestimmt. Selbst wenn ein deutsches Unternehmen ein überlegendes Achssystem anbietet, muss es die Zertifizierung durch die Federal Railroad Administration (FRA) oder andere Behörden erhalten. Dieser Prozess ist kostenintensiv, zeitaufwendig und mit Unsicherheiten behaftet. Das neue Handelsabkommen harmonisiert die regulatorischen Rahmenbedingungen nicht und schafft keine gegenseitige Anerkennung. Technische Compliance bleibt somit ein entscheidendes Tor.

 

Hinzu kommen die lokalen Inhaltsvorschriften. Die „Buy American“-Bestimmungen sind insbesondere bei bundesfinanzierten Verkehrsprojekten strenger geworden. US-ÖPNV-Behörden verlangen oft, dass ein erheblicher Anteil (teilweise über 70 %) des Wertes bei der Beschaffung von Schienenfahrzeugen aus inländischer Produktion stammt. Das stellt europäische Zulieferer vor die Wahl: exportieren und Zoll zahlen oder lokalisieren und sich mit Arbeits- und Einrichtungskosten in einem fremden Markt auseinandersetzen.

 

Einige Zulieferer werden darauf mit einer Vertiefung ihrer Partnerschaften mit US-Unternehmen reagieren, etwa durch Joint Ventures oder Lizenzvereinbarungen. Andere könnten den ambitionierteren Weg gehen und eigene lokale Montage- oder Serviceeinheiten aufbauen. Klar ist, dass dieses Handelsabkommen, auch wenn es keine radikale Transformation darstellt, eine neue Welle strategischer Entscheidungen in der Lieferkette auslösen könnte.

 

 

Strategische Überlegungen für die Zukunft

Als Beratungspartner vieler Industrieunternehmen sieht H&Z dieses Abkommen als Wendepunkt. Es ist nicht nur ein Zollabkommen, sondern ein Signal geökonomischer Realitäten. Die USA verfolgen eine Politik des gesteuerten Handels, die weniger auf freie Bewegung und mehr auf sichere, bilaterale Beziehungen setzt. Für europäische Unternehmen, insbesondere in kapitalintensiven und regulierten Branchen wie der Bahnindustrie, bedeutet das: Erfolg in den USA erfordert technische Exzellenz und geopolitische Agilität.

 

Dieser Moment verlangt auch strategische Weitsicht. Wir empfehlen unseren Kunden, folgende Fragen zu prüfen:

 

  • Wie abhängig sind Sie vom Export in die USA, und wo sind Ihre Margendruckpunkte am stärksten?
  • Verfügen Sie über US-zertifizierte Produkte oder die Fähigkeit, Zertifizierungen effizient zu erlangen?
  • Gibt es Chancen, transatlantische Partnerschaften zu bilden, die lokale Inhaltsanforderungen erfüllen und gleichzeitig geistiges Eigentum und Kostenstruktur schützen?

 


Solche Fragen erfordern nicht nur operative Einsicht, sondern auch ein klares Verständnis von politischen Dynamiken und Kundenerwartungen.

 


Abschließende Gedanken

Zusammenfassend bringt das am 7. August 2025 in Kraft tretende EU-US-Handelsabkommen lang ersehnte Klarheit in ein zuvor turbulentes transatlantisches Umfeld. Für die europäische Bahnbranche erfüllt es nicht alle Erwartungen, bietet jedoch einen Rahmen, auf dem Geschäfte aufgebaut werden können. Der 15%-Einfuhrzoll mag die Kosten erhöhen, doch seine Beständigkeit ermöglicht eine bessere Planung und ein effektiveres Risikomanagement. Die Regeln sind bekannt, und das Spielfeld – wenn auch noch geneigt – ist zumindest sichtbar.

 

Als jemand, der seit Jahren Bahn- und Maschinenbaukunden bei globalen Marktstrategien berät, sehe ich diesen Moment nicht als Triumph, sondern als Chance durch Vorbereitung. Die Unternehmen, die jetzt auf Compliance, Lokalisierung und intelligente Zusammenarbeit setzen, werden am besten positioniert sein, um in der Welt, die dieses Abkommen definiert, erfolgreich zu sein.

 

Bei H&Z stehen wir bereit, diesen Weg zu begleiten.

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Roman Bauer

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