Warum der neue EU-US-Zollkompromiss Innovation und Zusammenarbeit im Verteidigungssektor beschleunigen könnte
Über Stahl und Zölle hinaus ebnet dieses Abkommen den Weg für transatlantische Innovationen im Verteidigungsbereich, indem es Hindernisse für gemeinsame Unternehmungen beseitigt, den Zugang zu kritischen Technologien beschleunigt und Europa und die USA auf gemeinsame Sicherheitsprioritäten ausrichtet.
Von Handelspolitik zu strategischer Fähigkeit
Als US-Präsident Donald Trump kürzlich das neue Zollabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union lobte, legte er weniger Wert auf die technischen Details und konzentrierte sich mehr auf die Zahlen. Seiner Aussage nach würden die Europäer nun „militärische Ausrüstung im Wert von hunderten Milliarden Dollar“ von amerikanischen Herstellern kaufen.
Obwohl die kolportierte Summe von über 600 Milliarden Dollar rhetorisch überhöht sein mag, spiegelt sie eine strategische Wahrheit wider: Europas Verteidigungsausgaben steigen rapide. Und in einigen kritischen Fähigkeitsbereichen bleiben US-Systeme die bevorzugte Wahl.
Hinter den Schlagzeilen sendet das erneuerte EU-US-Zollabkommen eine ruhigere, aber wirkungsvollere Botschaft: Die Zusammenarbeit wird einfacher. Das Abkommen beseitigt langjährige Handelshemmnisse und öffnet einen pragmatischeren Weg für industrielle Partnerschaften – auch in für Verteidigung und Sicherheit relevanten Sektoren.
Warum dieser Kompromiss wichtig ist
Obwohl das Abkommen offiziell Zollbefreiungen für Industrieprodukte wie Stahl und Aluminium betrifft, ist seine Bedeutung weitreichender. Durch den Abbau von Bürokratie und die Verstärkung der transatlantischen Abstimmung unterstützt es eine schnellere und effizientere Zusammenarbeit zwischen europäischen und amerikanischen Partnern – insbesondere in Hightech-Branchen, die sowohl zivile als auch militärische Bereiche umfassen. Aus mindestens drei Gründen ist das Abkommen ein Schritt in die richtige Richtung:
1. Schnellerer Zugang zu kritischen Technologien
Viele Verteidigungsprojekte basieren heute auf global oder gemeinschaftlich entwickelten Technologien. Vereinfachte Handelsverfahren helfen Beschaffungs- und F&E-Teams, diese Komponenten schneller und mit weniger bürokratischem Aufwand zu erhalten.
2. Weniger Reibungsverluste bei gemeinsamen Industrieprojekten
Komplexe Zollverfahren und Unsicherheiten bei Zöllen haben gemeinsame Unternehmungen zwischen europäischen und amerikanischen Verteidigungsunternehmen historisch gebremst. Mit diesem Kompromiss werden grenzüberschreitende Projekte (sei es in Luftfahrt, Cyber oder Elektronik) leichter zu initiieren und zu skalieren.
3. Stärkerer Fokus auf gemeinsame strategische Ziele
Durch den Abbau alter Handelskonflikte können sich beide Seiten nun auf gemeinsame Prioritäten konzentrieren: Sicherung der Lieferketten, Investitionen in zukünftige Fähigkeiten und Erhalt technologischer Vorteile in einer zunehmend umkämpften Welt.
Ein Signal von 600 Milliarden Dollar? Zwischen Rhetorik und Realität
Trumps Bezug auf „hunderte Milliarden“ mag Skepsis ausgelöst haben, doch die aktuellen Marktdynamiken deuten darauf hin, dass dies nicht weit von der Realität entfernt ist. Laut Daten des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) ist der Anteil der US-Waffenexporte an europäische NATO-Mitglieder von 52 % (2015–2019) auf 64 % (2020–2024) gestiegen. Europäische Staaten greifen nicht aus politischer Präferenz, sondern aus operativer Notwendigkeit auf US-Verteidigungsplattformen zurück.
Systeme wie der F-35-Kampfjet, der CH-47 Chinook-Schwerlasthubschrauber oder die Typhon-Raketenplattform bieten Fähigkeiten, die in Europa derzeit nicht verfügbar sind – insbesondere hinsichtlich Reichweite, digitaler Integration und Missionsflexibilität. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius räumte dies im Juli offen ein, als er Interesse an Typhon signalisierte und dessen überlegene Reichweite im Vergleich zu europäischen Produkten hervorhob.
Strategische Einsatzbereitschaft durch Vereinfachung ermöglichen
Indem es Reibungsverluste abbaut, erleichtert das EU-US-Zollabkommen den Zugang zu essenziellen Technologien, senkt die Kooperationskosten und beschleunigt Innovationen auf beiden Seiten des Atlantiks. In einer Welt, in der Einsatzbereitschaft von Geschwindigkeit, Agilität und gemeinsamen Fähigkeiten abhängt, ist dieser Kompromiss mehr als ein diplomatischer Erfolg. Er ist ein strategischer Enabler – und ein Instrument, das Europas Verteidigungsindustrie aktiv nutzen sollte.